4. Spieltag JBLNO 2007/2008: USV Potsdam - Zitadelle Spandau 5½ : ½Topfit, vorbereitet und motiviert"Ich glaube, dass der Tabellenerste jederzeit den Spitzenreiter schlagen kann." (Berti Vogts) Während andere ihre Berichte mit klassischen Zitaten vom schlechten Omen beginnen lassen und sich dann für furchtbar schlau halten, weil sie "Goethe" bei Google eingeben können, beginne ich direkt auf meinem Niveau. An dem Pisa-Debakel bin ich ja auch schuld, da soll jetzt keiner was Großes erwarten. Was Großes war auch von unserer Mannschaft am Samstag in Potsdam nicht zu erwarten. Wir dümpelten bis dato mit 0:6-Mannschaftspunkten dahin, die Potsdamer hatten die umgekehrte Bilanz mit drei hohen Siegen. Die reizvolle Konstellation Spitzenreiter gegen Letzter also. Was machte die Potsdamer so erfolgreich? Nach eigener Aussage das Auslosungsglück, sie hätten in den ersten Runden die leichtesten Gegner gehabt. Das mag sicherlich auch Teil der Wahrheit sein, ist aber wohl etwas zu kurz gegriffen. In Potsdam spielen nämlich die stärksten Brandenburger Jugendlichen, deren schachliche Heimat zwischen Paulinenaue (weit im Westen) und Guben (an der polnischen Grenze) liegt. Und so kam es wie erwartet: Obwohl die Potsdamer nicht einmal ihren Stammsechser aufboten, waren sie an fünf Brettern klar überlegen. Solche Überlegenheit kann man brechen, wenn man selber gut vorbereitet, mit hoher Motivation und auch physisch topfit ans Brett geht. Um es kurz zu machen: Davon war bei uns wenig zu sehen. An der Motivation scheiterte es bei zwei Spielern, die nur mit einem Döner in Aussicht überhaupt zum Spielen bewogen werden konnten. "Physisch topfit" waren Maxim und ich sicherlich nicht. Während Maxim trotz offensichtlicher Erkältung seine Kräfte in den Dienst der Mannschaft stellte (lobenswert!), hatte ich - weniger lobenswert - die Nacht vor dem Kampf lang kein Auge zugedrückt sondern mich an den Freuden des Internets beglückt. An der Vorbereitung scheiterte es wiederum bei Raimond, der nur Partien aus dem Jahr 2003 von seinem Gegner finden konnte. Nur Marko, der war voll dabei. 10.1., 14 Uhr. Der Kampf beginnt. Und nach einer Stunde hatten alle eine ganz ordentliche Stellung aufgebaut. Christoph stand zwar etwas verrammelt, aber nicht unbedingt schlecht. Bis er seinen besten Läufer tauschte und sich einen schrecklichen Angriff einfing, gegen den er sich dann wahrscheinlich auch nicht optimal verteidigte. An Brett 6 war Ersan ebenso schnell fertig, als dann doch irgendwann ein paar Bauern zuviel den Weg in die Figurenkiste fanden und der Gegner sich bei der Verwertung des Vorteils nicht zu lange aufhielt. Der Rest war aber erfreulich. Maxim hatte im Endspiel mit ungleichen Läufern einen Bauern mehr, es sah so aus, als könnte nur ein Sieg oder ein Remis im Rahmen des Möglichen liegen. Raimond hatte sich schön aufgebaut und stand sicherlich nicht schlechter und Marko hatte gute Chancen, die zentralen Bauern des Gegners anzugreifen. Und an Brett 1? Da meinte ich, etwas besser zu stehen, aber wahrscheinlich verließ die Partie im Verlauf niemals ernsthaft die Remisbreite. Dann überschlugen sich die Ereignisse. Marko zog etwas zu optimistisch einen Bauern zum Angriff hinzu, was aber schreckliche Schwächen im Hinterland produzierte, die der Gegner sehr sicher ausnutzen konnte. Raimond stellte mit einer Fesselung eine Qualität ein und musste sich auf Schummelchancen beschränken und Maxim ließ einen Bauern des Gegners durchlaufen. "Mir fehlte nur ein Zug", betonte er später. Und auch bei mir rächte sich, dass ich nicht "topfit" war. Eigentlich hatte ich in der ganzen Partie keine Variante berechnet, sondern nur auf mein Gefühl gehört. Damit fuhr ich auch gar nicht so schlecht, bis ich dann ein Bauernopfer anbot, das das Spiel ziemlich verschärfte. Mein Gegner konnte sich locker verteidigen und ich schaffte es gerade noch, mich in ein Endspiel mit ungleichen Läufern zu retten und die Partie nach vier Stunden ins Remis zu geben. Die Niederlage ist zwar an sich verdient, aber mit etwas mehr Glück und einer leicht verbesserten Einstellung wäre wohl der eine oder andere Brettpunkt mehr zu holen gewesen. Die Potsdamer machten uns noch Mut. Sie betonten, dass wir noch gegen die Schwächsten in der Staffel spielen dürften, wo wir vielleicht doch noch den einen oder anderen Sieg einfahren können. Am 24.1. steht uns erstmal Empor Berlin als Gegner ins Haus. Und die zählen ganz bestimmt nicht zu den Schwächsten. Und um auch zum Abschluss einen Fußballer zu Wort kommen zu lassen: "Das nächste Spiel ist immer das nächste" (Matthias Sammer)
Carsten Schirrmacher |