Oberliga Nord Ost 2008/20091. Runde am 5. Oktober 2008: Saisonziel elf Uhr
Man könnte man ja einiges schreiben, zu diesem Kampf. Man könnte mit ein paar billigen Stammtisch-Anekdoten und sonstigem Klamauk anfangen oder ehrerbietig in die Knie gehen, vor diesem historischen Moment. Diese acht Parten waren doch tatsächlich die ersten, die die erste Mannschaft unseres beschaulichen Vereins überregional gespielt hat. Obwohl das vielleicht etwas bescheuert klingt, denn gegen die nahezu deckungsgleiche Mannschaft haben wir in der neunten Runde der Landesliga 2006/2007 gespielt. Unterregional, wenn man so will. Damals gab es eine herbe 2:6-Schlappe, die so grauenhaft war, dass es noch nicht einmal einen Bericht gab, Hartmut hatte auf der Heimseite dieses furchbare Schauspiel mit Zahlen dargestellt und lakonisch angefügt, dass wir wohl mächtig verhauen worden seien. Wie wahr. Aber damals hatten wir einen ganz entscheidenden Nachteil: Micha, unser jetziger Spitzenmann, war noch nicht bei uns, und deswegen konnten wir auch nicht auf sein Fahrzeug zurückgreifen. Das war diesmal insofern wichtig, als in seinem Auto neben ihm selbst die Herren Riedel und Wobei - wie das eben so ist - die Siege äußerst unterschiedlich zustande kamen, ebenso übrigens auch die Niederlagen - wen wundert's? ALso, zunächst die Siege. Und die chronologisch. Die erste beendete Partie hatte Micha beizusteuern, und das gleich erfolgreich. Hartmut erklärte mir vor der Tür, als der Gegner von Micha in den letzten Zügen lag (was für ein Wortspiel!), dass es doch immer wieder erstaunlich sei. Vor allem, weil alle Züge klar und einem klaren Plan untergeordnet waren. Kaum ein Zug sei überraschend gekommen, es sei erstaunlich, dass man mit solch einem einfachen Spiel so erfolgreiche und schöne Partien spielen könne. Dass es doch nicht ganz so leicht war, zeigte Micha uns dann nach der Partie. Der Angriff entwickelte sich zwar schwungvoll, doch er musste aufpassen, dass der Gegner nicht plötzlich alles abriegeln konnte. Das war uns einfachen Zuschauern von den billigen Brettern nicht so klar. Deswegen spielt er wohl auch am ersten Brett und Hartmut und ich irgendwo in der hinteren Hälfte der Mannschaft. Ein besonderes Highlight (oder für die Verweigerer der englischen Ausdrücke ein unübetrefflicher Hochgenuss) war das Damenopfer, das den König des Gegners dermaßen ins Freie zog, dass auch zwei Türme und ein Schimmel ausreichten, um den schwarzen König ermatten zu lassen. Also zur hinteren Hälfte der Mannschaft: Der zweiter Sieger war Hartmut, wobei die Begrifflichkeit des Sieges möglicherweise nicht unbedingt die richtige ist. Sein Gegner schob ihn nämlich ganz übel zusammen und entfesselte einen mächtigen Königsangriff, doch als Hartmut nach mehr als 30 Zügen die erste Drohung der Partie seinerseits aufstellte, übersah der Gegner diese sogleich. Besonders bitter, dass das auch noch eine Mattdrohung war. Nachher stellte sich heraus, dass der Gegner seine grandiose Angriffsleitung mit Springeropfer und einem damit verbundenen vierzügigen Matt hätte krönen können. Stattdessen krallte er sich einen Turm, das Ende ist bekannt. Und der dritte Sieger? Der hatte Hartmut Schulz auf der anderen Seite des Brettes zu sitzen, seines Zeichens bekannt als Eisen-Schulz. Micha erklärte auf der Hinfahrt, dass dieser Spieler bereits vor vielen Jahren für Strausberg in der DDR-Sonderliga (muss also schon wirklich lange her sein) am Spitzenbrett gespielt habe und bekannt dafür sei, in allen Lebenslagen gegen Gegner jeder Art knallhart remis abzuklammern. Deswegen habe Micha auch noch nie gegen Eisen-Schulz gewinnen können. Nur eine Niederlage habe es einmal gegeben, als er eine ausgeglichene Ich spielte also eine Variante, die relativ ruhig aussieht, sich dann aber doch schnell zu einem frohen Hauen und Stechen entwickeln kann, wenn Schwarz nicht gut aufpasst. Wie erwartet zeigte der Schwarze keinerlei aggressive Absichten und versammelte seine Figuren um den König. Als sich schnell herausstellte, dass das wohl kaum die Lösung sein konnte, entwickelte sich nach einer radikalen Kursänderung des Gegners das ersehnte Hauen und Stechen, das mit der Androhung eines Qualitätsopfers schnell einseitig wurde: Ich stach einseitig auf den Eisen-Schulz ein und scheinbar waren meine Waffen stärker als sein Eisenpanzer. Am Ende war er zumindest erlegt, weil er nach einem Verzweiflungs-Damenopfer in Verluststellung die Zeit überschritt. Zwischendurch hatte sich Hans-Jürgen mit seinem Gegner Christian Düster auf eine Punkteteilung geeinigt. Es sah nicht besonders spannend aus, doch ich kann nicht ausschließen, dass die Stellung kompliziert und voller strategischer und taktischer Nuancen war, die ich beim Vorübergehen nicht verstehen konnte. Also, wie dem auch sei, die Stellung wurde remis gebeben, bevor irgendwelche Verwirrungen auftreten konnten und Hans-Jürgen konnte seinen Ruf als solider Mittelblocker festigen. Diese Begrifflichkeit habe ich übrigens in einem alten Bericht geprägt und sie gefällt mir. (Das Wort zum Ball, äh Brett, über die erste Runde des letzten Spieljahres.) Nun habe ich also schon vier Partien abgehakt und weder über die Überschrift noch sonst irgendwelche Voraussetzungen des Kampfes was erzählt. Also, ganz von Anfang an: Der Kampf begann um elf Uhr, was für langjärige BMM-Recken eine unglaubliche Veränderung darstellt. Während es der eine toll findet, mal zwei Stunden länger schlafen zu dürfen, findet der Autor dieser Zeilen die neun-Uhr-Startzeit besser. Vom sonntäglichen Essen meiner Familie bekam ich nämlich nichts als leere Teller zu sehen, als ich nach einem anstrengenden Kampf nach Hause kam. Sie hätten halt Hunger gehabt und schonmal angefangen, sie könnten ja nichts dafür, wenn ich mich bis abends auf Schachveranstaltungen herumtreibe. Im letzten Jahr war es an BMM-Sonntagen immer möglich, das Gemampfe auf drei oder halb vier anzusetzen... Um zehn-Uhr-fünfundvierzig wurden die Aufstellungen abgegeben, und es stellte sich heraus, dass beide Mannschaften ersatzbedingt in veränderter Aufstellung antreten mussten. Während unser Chef KoKo in China weilte und nicht mal für eine Fernpartie zu haben war, mussten die Pankower mit Bernd Steinhagen und Ulrich Schwekendiek ihre beiden Spitzenleute an die Zweitliga-Mannschaft abgeben. So entging Micha auch einer Neuauflage einer zwei Wochen alten Partie vom PSV-Rostock-Open gegen Steinhagen. Stattdessen saß ihm Roland Boewer gegenüber, der, wie beschrieben, unter die Räder geriet. Es wäre übrigens vielleicht nicht unbedingt angebracht, zu behaupten, die Pankower seien ersatzgeschwächt in den Kampf gegangen. Denn die beiden Ersatzleute fuhren zwei Punkte heim. Der erste Leidtragende war unser Ersatzmannn Kievi, der sich in der Eröffnung eine schlechte Stellung einhandelte, die er trotz erfindungsreicher Verteidigung nicht zu halten vermochte. Der zweite unser Stammspieler Matze, der zwar in der Eröffnung eine gute Stellung erreichen konnte, dann aber irgendwann vom rechten Weg abkam und nach dem Damentausch ein schwieriges Endspiel zu veteidigen hatte, das wohl knapp an der Grenze zum Verlust war. Diese Grenze wurde dann nach einigen genauen Zügen des Gegners überschritten, sodass Matthias die Segel streichen musste. Bliebe noch Patrick. Der hatte nach der Eröffnung einen kleinen Nachteil, der die ganze Partie da blieb, sich aber nicht nennenswert vergrößerte. Zwar standen Patricks Figurenetwas unkoordiniert auf den letzen beiden Reihen herum (besonderes Prachtexemplar war ein Springer Wer mitgezählt hat, weiß also, dass es nun 4:3 stand. Und Uwe blieb es vergönnt, mit einem Bauern weniger sich durch ein schweres Endspiel zu quälen und den Mannschaftssieg zu sichern. Um es kurz zu machen, er meisterte diese Aufgabe mit Bravour und sicherte nach knappen fünfeinhalb Stunden den halben Punkt und damit den knappen und - wenn nicht unverdienten, dann zumindest glücklichen - Mannschaftssieg. Doch dann kam nochmal ein Schock auf uns zu: Niemand war vorbereitet, den Schiedsrichter zu bezahlen, was sich die Vereine offenbar teilen müssen. Das Geld für den Schiri gibt es dann, um mal das übliche Niveau dieser Heimseite zu senken, bar auf kralle. Glücklicherweise konnte Matthias diese Summe (ich glaube es waren 17,40 Euro oder so) zunächst einmal auslegen. Also sind wir dem Saisonziel Klassenerhalt schon in der ersten Runde ein gutes Stück näher gekommen. Und damit dem Saisonziel, auch in der nächsten Saison Schiris zu bezahlen. Oder eben, auch im nächsten Jahr um elf Uhr antreten zu dürfen, was offenbar für den größten Teil der Mannschaft ein ausreichender Anreiz ist, zu Höchstleistungen anzutreten. Also dann, noch acht Kämpfe, in denen es gilt, möglichst viele Punkte für den Klassenerhalt zu sammeln. Für das Saisonziel elf Uhr. Carsten Schirrmacher |